Blogparade zum Thema Resilienz (Widerstandskraft)

Mai 8, 2023

Das Coaching-Software-Unternehmen CleverMemo hat mich eingeladen an ihrer Blogparade teilzunehmen, um in diesem Format über das Thema Resilienz (menschliche Widerstandskraft) zu diskutieren. Gerne teile ich meine Sicht der Dinge. Für mich inkludiert eine Diskussion auch immer persönliche Meinungen, daher ist dieser Beitrag ein wenig anders als meine üblichen Blogs.

Neben der Informationsvermittlung ist auch meine persönliche Ansicht als Frau, Mutter und politisch/gesellschaftlich interessierter Mensch enthalten. Wie zum Beispiel mein großer Wunsch, der mich seit meinen Anfängen im psychosozialen Bereich begleitet – also seit fast 15 Jahren. Doch dazu später mehr.

Wie entscheidend ist Resilienz in diesen stürmischen Zeiten?

Die letzten drei Jahre haben gezeigt, dass noch bevor eine weltweite Gesundheitskrise offiziell beendet war, schon das nächste von Menschen verursachte Leid mit weitreichenden Konsequenzen losgetreten wurde. Krieg, Klimakrise, Femizide, Amokläufe, steigende Preise. Die Liste an schlechten Nachrichten würde sich endlos fortsetzen lassen. Dies alles hinterlässt Spuren in der Gesellschaft. Stürmische Zeiten liegen also hinter uns, wir befinden uns mittendrin und es werden auch noch weitere folgen. So ist die Menschheit. So ist das Leben.

Die Herausforderungen haben sich verändert und werden sich noch weiter verändern, daher ist die eigene Widerstandskraft enorm wichtig. Manche Menschen kommen in schwierigen Zeiten besser zurecht als andere. Sind also resilienter.

Resilienz ist eine Fähigkeit, die uns durch schwere Zeiten hilft

Uns alle fordert das Leben hin und wieder heraus. Jeder kennt stressige Situationen sowohl privater als auch beruflicher Natur. Viele Menschen haben außerdem finanzielle Probleme oder sorgen sich um die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen auf der Welt oder in unserem Land. Die entscheidende Frage ist, wie man damit umgeht.

Resilienz ist für mich die „eigene psychische Widerstandskraft“. Es handelt sich also um die Fähigkeit gut durch herausfordernde Lebensphasen zu kommen oder Krisensituationen ohne bleibende Beeinträchtigungen zu überstehen und im besten Fall sogar gestärkt daraus hervorzugehen.
Resilienz bezeichnet aber auch die Fähigkeit mit Stress umzugehen.

Meiner Meinung nach kann ich aus jeder Krise im besten Fall etwas Positives mitnehmen und im schlechtesten Fall etwas über mich oder mein Umfeld lernen – meistens in der Rückschau natürlich. Beides setzt ein gewisses Maß an Reflexionswille und Reflexionsvermögen voraus und auch einen ehrlichen Blick auf sich selbst und seine Emotionen und die Bewältigungsstrategien. Neue sind erlernbar, wenn uns die alten nicht guttun.

Die Wissenschaft beschreibt alltägliche Probleme des Lebens wie beispielsweise Über-/Unterforderung im Job, Beziehungskrisen oder schwierige Entscheidungen als Mikrostressoren und den Tod eines Angehörigen, Traumata wie Vernachlässigung in der Kindheit oder Missbrauchserfahrungen, etc. als Makrostressoren. Das ungesunder und dauerhafter Stress krank machen kann, wissen wir alle.

Hirnstruktur und Hippocampus – entscheidend für die Widerstandsfähigkeit?

Resilienz-Forscher haben anhand von Messungen der Gehirnaktivität herausgefunden, dass es nicht die optimale Gehirnstruktur gibt, die für eine gute Resilienz eines Menschen zuständig ist, sondern dass es ein ganzes Zusammenspiel an Netzwerken und Botenstoffen (sogenannte Neurotransmitter) in unserem Gehirn braucht. Das Belohnungszentrum soll eine große Rolle dabei spielen, ebenso die eigenen persönlichen Werte und Gedanken. So reagiert man zum Beispiel weniger auf Stress, wenn man das Denken an positive Erlebnisse und Erinnerungen fördert.

Der Hippocampus ist lt. der Wissenschaft bei resilienteren Erwachsenen größter als bei weniger widerstandsfähigen Menschen. Diese Gehirnregion ist vor allem für unsere Erinnerungen zuständig und sehr vernetzt mit anderen Hirnregionen. Nach jetzigem Stand der Wissenschaft sind die Vernetzungen bei resilienten Menschen deutlicher ausgeprägter. Natürlich spielen nicht nur die genetischen Faktoren für die Psyche eine Rolle, sondern auch die Umwelt, in der der Mensch sich befindet. Mit der Frage „Was macht uns Menschen resilient(er)?“ beschäftigen sich unzählige Modelle.

Gemeinsamkeiten der Resilienz-Modelle

Es gibt eine Vielzahl von Modellen, die die Resilienz beschreiben. Die gängigsten 13 Modelle haben aber folgende Faktoren gemeinsam:

  • Selbstwirksamkeit - ich selbst habe die Macht. Ich vertraue auf meine Fähigkeiten. Ich kann meine Gefühle, Gedanken und Handlungen regulieren.

Diese Haltung macht eigene Ressourcen zugänglich und wir bleiben somit handlungsfähig – auch in Stresssituationen. Eine gute Möglichkeit sich der eigenen Macht bewusst zu werden, ist sich die Frage zu stellen: „Wie mach ich das?“ Diese Fragestellung impliziert das Tun und es wird einem die Handlungsmacht bewusst. Man findet leichter Lösungen und kommt weg von der problemorientierten Denkweise. Probieren Sie es einfach aus – stellen Sie sich folgende Fragen: „Was mache ich, wenn es mir gut geht?“ „Was müsste ich machen, damit es mir schlecht geht?“

  • Beziehungsgestaltung zu anderen Menschen – ich selbst gestalte meine Beziehungen und ich bin dafür verantwortlich. Für mich selbst und die Beziehung, die ich zu mir selbst und anderen habe.

    Wer sich selbst akzeptiert, seine Stärken und Schwächen kennt und gut für sich selbst sorgen kann, weil er seine Grenzen kennt und weiß, wie er wieder zu Kräften kommt, kann schwierige Zeiten besser überstehen und Beziehungen auf Augenhöhe führen. Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl – beides kann man trainieren, wie einen Muskel.
  • Zukunftsgestaltung – welche Werte leiten mich und wie stelle ich mir meine Zukunft vor. Welche Prioritäten habe ich in meinem Leben. Wie erreiche ich meine Ziele? Was ist zu tun?

In Krisenzeiten läuft vieles nicht mehr nach Plan und die zuvor festgelegte Zukunft wird vielleicht in Frage gestellt. In solchen Momenten werden wir meistens auf unsere Werte zurückgeworfen. Wir suchen halt in ihnen – in der Familie, in der Partnerschaft oder am Arbeitsplatz. Wer seine Werte kennt und danach handelt, tut sich in schwierigen Zeiten leichter lösungsorientiert zu Denken und zu Handeln. Problembewältigungsstrategien werden automatisch verbessert bei einer zielorientierten Denkweise.

  • Optimistische Grundhaltung – wie betrachte ich die Welt? Sehe ich das Glas halb voll oder halb leer?

Optimisten sehen die Dinge, oder die Herausforderungen, die auf sie zukommen generell in einem positiven Licht. Dies merkt man auch an ihrer positiven Sprache und an der Dankbarkeit über die kleinen Dinge im Leben. Auch das kann man lernen. Für welche 3 Dinge sind Sie heute dankbar? Was läuft gerade gut in Ihrem Leben?

Resilienz lässt sich (teilweise) durch Selbstreflexion erlernen

Den meisten Menschen, die in sozialen oder psychosozialen Berufen tätig sind, so glaube ich, kennen Begriffe wie Resilienz, Selbstreflexion oder Supervision. In sozialen Berufen ist Team- oder Einzelsupervision manchmal sogar verpflichtend. Auch in der Wirtschaft entdecken vor allem immer mehr jüngere Führungskräfte die Supervision (dort eher Coaching genannt) als eine Ressource, die sowohl den Führungskräften als auch den Mitarbeiter*innen die Möglichkeit zur Weiterentwicklung bietet.

Mit Hilfe von Supervision/Coaching werden eigene Kompetenzen ausgebaut, man lernt mit Stress gesünder umzugehen und die Arbeitszufriedenheit kann gestärkt werden. Durch Reflexion des eigenen Verhaltens kann man widerstandsfähiger werden und (neue) Handlungsweisen erarbeiten.

Ich glaube aber, dass die Mehrheit der Menschen – egal welcher Herkunft, Bildung, Status oder Altersgruppe – diesen Begriff nicht kennen. Woher auch. Ich wage sogar zu behaupten, dass die meisten noch nie bewusst darüber gesprochen haben. Wie auch. In unserem Pflichtschulsystem ist die psychische Gesundheit kein fixer Bestandteil des Lehrplanes.

Sportunterricht für den Körper – und für die Psyche?

Turnunterricht ist seit vielen Jahrzehnten ein anerkanntes Schulfach. Weshalb gibt es noch immer keinen mentalen Sportunterricht? Ja, dies würde viel Arbeit bedeuten. Angefangen vom politischen Willen, andere/zusätzliche Ausbildung der Lehrkräfte bis hin zu großflächigen strukturellen Veränderungen. Sowohl innerhalb der Lehrerschaft als auch des gesamten Gesundheitssystems. Fächer wie Kommunikation, soziale Kompetenz, Medienkompetenz, etc. sollten meiner Meinung nach Pflichtfächer sein oder zumindest verpflichtend fächerübergreifend thematisiert werden. In jedem Schultyp! Weshalb? Weil die Anforderungen und Belastungen sich geändert haben und sich weiter ändern werden.

Mein persönlicher Wunsch

Leider lehrt uns Resilienz oder Selbstfürsorge niemand bewusst. Ja, Kinder lernen durch ihre Vorbilder (Eltern, soziales Umfeld, usw.) Aber was ist, wenn die Vorbilder selbst davon keine Ahnung haben? Wenn die Eltern selbst nicht wissen, wie Sie ihre Emotionen regulieren oder kommunizieren sollen? Wenn anstatt von Worten Fäuste fallen? Wäre es da nicht zielführender und vor allem sinnvoller die Unterrichtsfächer samt Lehrplan in die Neuzeit zu heben?

Es ist daher mein großer Wunsch, dass unser gesamtes Schulsystem und vor allem die Lehrpläne endlich reformiert werden und die psychische Gesundheit thematisiert wird. Nach den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen aber auch praxisnah. Sprich kein Frontalunterricht von Psychologie, sondern Theorie gepaart mit praktischen Übungen. Frei nach dem Motto von Konfuzius: „Sage es mir, und ich vergesse es. Zeige es mir, und ich erinnere mich. Lass es mich tun, und ich behalte es.“

Meiner Meinung nach würde sich dies sowohl gesellschaftlich als auch volkswirtschaftlich mehr als rechnen - sprichwörtlich. Auch wenn eine große Schulreform nach wie vor in weiter Ferne liegt, blicke ich trotzdem hoffnungsvoll in die Zukunft. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig psychische Gesundheit ist – gerade im Bereich der Kinder und Jugendlichen. Ich glaube daran, dass diese Krisen auch etwas Gutes mit sich bringen werden.

Meiner Wahrnehmung nach ist die Hemmschwelle gesunken, sich externe Hilfe zu holen. Jugendliche sprechen offen über ihre psychische Gesundheit und sind viel reflektierter. Weder gilt man als schwach noch wird man verspottet, so wie zu meiner Zeit als Jugendliche.

Als Lebens- und Sozialberaterin gehöre ich zur Berufsgruppe, die präventiv tätig ist, sprich ich arbeite mit gesunden Menschen, die keine psychische Erkrankung haben. Meine Hoffnung ist daher groß, dass die Politik, die Gesellschaft und jede*r Einzelne von uns sich mehr mit der eigenen Gesundheit befasst, darüber reflektiert und Maßnahmen setzt. Selbst oder mit externer Hilfe, wie auch immer.

In meinem Blog vom 27. November 21 „15 Empfehlungen – Kraft tanken und entspannen in Krisenzeiten“ finden Sie Anregungen, um Ihre Resilienz zu erhalten oder zu steigern. Sie können sehr viel selbst dazu beitragen gesund zu bleiben – psychisch und physisch. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei. Sie schaffen das! In diesem Sinne: schauen Sie gut auf sich und bleiben Sie gesund.

Herzlichst
Nadja Mack-Foraschik

 


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